Frau I.G.

Am 21. Januar 1964 nahm sich mein Mann das Leben. Er war in Behandlung wegen Gemütskrankheit. Ich selbst war derart verzweifelt, dass ich kaum noch wusste, ob und wie ich mich und das damals fünfjährige Kind durchbringen sollte. Eine hiesige katholische Schwester sorgte deshalb dafür, dass man mich möglichst schnell zu Pfarrer Hieber fuhr, damit ich nicht in eine Nervenheilanstalt müsse. Am 15. Februar kamen wir nach Merazhofen und besuchten zuerst die Fastenandacht, in der Pfarrer Hieber über das Thema „Judaskuss“ sprach. Ich war sehr erstaunt, wie der Pfarrer in der Predigt genau von der Krankheit meines Mannes, von deren Ausgangspunkt und Schwierigkeiten sprach, ohne dass er uns vorher gekannt hatte. Nach dem Gottesdienst kam er auf uns zu und lud uns ins Pfarrhaus ein. Als ich mit ihm ins Gespräch kam, versicherte er mir, dass mein Mann durch die Fürbitte der Mutter Gottes gerettet worden sei. Mein Mann war Protestant und seit der Konfirmation nie mehr beim Abendmahl gewesen. Als Omnibuschauffeur hatte er aber mich und meine blinde Mutter stets zur Kirche gefahren. Pfarrer Hieber versicherte uns, dass Maria, die gütigste Mutter, ihm diesen Liebesdienst vergolten habe.

– I.G. –